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Skalierbare digitale Kieferorthopädie: Zwölf 3D-Drucker, 1200 Aligner im Monat

Bevor Sean Thompson das heute größte kieferorthopädische Labor Großbritanniens gründete, war er mehrere Jahre lang in der Kieferorthopädie sowie Kiefer- und Gesichtschirurgie tätig. Er erfuhr dabei aus erster Hand, dass es einerseits eine große Nachfrage nach kieferorthopädischen Leistungen gibt aber auch einen erheblichen Mangel an hochwertigen Laboren, die spezielle technische Dienste im Bereich der Kieferorthopädie anbieten können.

Im Jahr 2001 gründete Thompson sein Labor Ashford Orthodontics und da die Zahl der Kunden schnell wuchs, stießen auch Craig Stevens und Graeme Winyard zum Team. Heute leiten die drei spezialisierten Kieferorthopädietechniker das größte KFO-Labor in Großbritannien mit über 1000 m2 Fläche und 50 Mitarbeitern.

Thompson hat immer darauf hingearbeitet, dass das Labor eine führende Rolle in der Branche einnimmt, was heute wichtiger denn je ist, da die Kieferorthopädie mit der Einführung digitaler Technologien momentan die größte technische Revolution ihrer Geschichte durchläuft.

Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie Thompson aus dem Nichts eine Digitalabteilung gegründet hat, die heute 1200 Retainer mithilfe von zwölf 3D-Druckern herstellt und einen Kostenvorteil erzielt, mit dem das Labor wachsen und neue Kunden anziehen kann.

Werfen Sie einen Blick in das Labor von Ashford Orthodontics und hören Sie von Thompson, wie die digitalen Arbeitsprozesse eingeführt wurden.

Gründung und Skalierung einer Digitalabteilung

Ashford Orthodontics hat das erste Mal vor fünf Jahren mit digitaler Kieferorthopädie experimentiert.

„Wir wussten, dass wir in die digitale Kieferorthopädie einsteigen mussten. Wir konnten es uns nicht leisten, es nicht zu tun, wenn wir wirklich ein führender Betrieb in unserer Branche sein wollten“, erzählt Thompson. „Wir wollten ein Early Adopter sein. Jedes Unternehmen muss vier oder fünf Jahre in die Zukunft planen, und man möchte nicht abgehängt werden, während andere sich weiterentwickeln.“

Zunächst kaufte das Labor zwei Stratasys Objet30 3D-Drucker, industrielle Drucker, die speziell für den Einsatz in der Kieferorthopädie beworben wurden. Sie machten sich mit dem digitalen Arbeitsprozess vertraut und übernahmen digitale Aufträge von Klinikern, doch aufgrund der hohen Kosten und des komplexen Betriebs dieser großformatigen 3D-Drucker hatte das Labor Probleme, sich mit dem Einsatz von digitaler Technologie anzufreunden.

„Man musste viel in Software-Upgrades investieren und die Maschinen jedes Jahr warten und kalibrieren lassen, so dass wir nach Einkalkulierung der tatsächlichen Kosten des Kunstharzes Modelle nicht für den von uns gewünschten Preis und sicher nicht in dem angestrebten Umfang herstellen konnten“, so Thompson.

„Wenn man außerdem sein Geschäft um einen Drucker aufbaut, braucht man nicht einen, sondern zwei, und beide müssen bei 50 Prozent laufen. Sollte einer ausfallen, kann der andere immer noch auf volle Leistung hochgefahren werden. Bei den Geräten von Stratasys war es sehr kostspielig, eine Flotte aus diesen Druckern aufzubauen. Darum haben wir uns nach einem kleineren Drucker umgesehen, der härter arbeiten konnte, und von dem wir nach und nach weitere Modelle kaufen konnten. Letztendlich haben wir uns für Formlabs entschieden und wir haben es nie bereut“, sagt Thompson.

Ashford nutzt aktuell eine Flotte aus zwölf Form 2 Stereolithografie 3D-Druckern und beschäftigt acht Techniker in der Digitalabteilung.
Ashford nutzt aktuell eine Flotte aus 12 Form 2 Stereolithografie-3D-Druckern und beschäftigt acht Techniker in der Digitalabteilung.

Das Labor fing mit einem Drucker an, rüstete bald auf zwei, dann auf vier Drucker auf und hat heute zwölf Form 2 Drucker in Betrieb. Gleichzeitig ist die Zahl der Mitarbeiter in der Digitalabteilung von einem Techniker auf ein Team aus acht Digitaltechnikern angewachsen, die eine Mischung aus Fachtechnikern und Computerexperten sind.

„Der Form 2 ist sehr zuverlässig; wir nennen ihn unser ‚Arbeitstier‘. Wir können uns darauf verlassen, dass, wenn wir abends nach Hause gehen, am nächsten Morgen alles gedruckt ist. Es wird keine Ausfälle geben; alles wird da sein. Darum können wir unser Geschäft um sie aufbauen“, erklärt Thompson.

3D-Druck als Nachtschicht

Ashford folgt einem gut strukturierten täglichen Arbeitsablauf, in den der digitale Arbeitsprozess leicht integriert werden konnte. Der tägliche Annahmeschluss des Labors ist um 15 Uhr. Thompson und sein Team erhalten neue Scans von Kunden, planen Behandlungen und erstellen die digitalen Modelle im 3D-Druck über Nacht. Früh am nächsten Morgen reinigt ein Techniker die 3D-gedruckten Teile und trocknet sie. Wenig später thermoformt ein anderer Techniker die transparenten Aligner auf den fertigen Modellen. Zu der Zeit, zu der die meisten Techniker im Labor eintreffen, sind die Aligner bereit zur Nachbearbeitung.

„Sobald man ein Modell hat, gibt es sehr wenige Unterschiede. Wenn man als traditionelles Labor den nächsten Schritt wagen und auf digitale Arbeitsprozesse umsteigen möchte, ist die Herstellung sehr ähnlich, wenn man einmal den Prozess studiert hat“, erklärt Thompson.

Am Nachmittag verpacken und versenden die Techniker die fertigen Apparaturen, damit sie innerhalb von 48 Stunden beim Kliniker sind. Insgesamt bietet der digitale Arbeitsprozess eine Zeitersparnis von 24 Stunden, da die Scans sofort im Labor eingehen, wodurch Ashford Aufträge schneller bearbeiten und mehr Arbeit übernehmen kann.

Der digitale Arbeitsprozess bietet eine Zeitersparnis von 24 Stunden. Die fertigen Apparaturen können innerhalb von 48 Stunden nach dem Scan beim Kliniker sein.
Der digitale Arbeitsprozess bietet eine Zeitersparnis von 24 Stunden. Die fertigen Apparaturen können innerhalb von 48 Stunden nach dem Scan beim Kliniker sein.

„Es funktioniert perfekt. Wir nehmen die Drucker in Betrieb, bevor wir abends nach Hause gehen; sie sind unsere Nachtschicht. Wir kommen am nächsten Morgen wieder und bis dahin hat die Nachtschicht ihre Arbeit erledigt. Es ist egal, ob es zwei, vier oder sechs Stunden dauert – die Teile sind fertig. Wir verlassen uns vollständig darauf, wenn wir morgens zur Arbeit kommen. Darum sind Qualität und Zuverlässigkeit des Drucks besonders wichtig für uns“, erläutert Thompson.

Das Labor hat auch gelernt, mehrere Drucker und die große Konstruktionsplattform des Form 2 zu nutzen.

„Es ist recht einfach für uns, ein paar Modelle auf zehn oder zwölf Drucker zu verteilen und sie in ein paar Stunden zu drucken. Wenn wir einen schnellen Durchsatz benötigen, können wir dafür mehrere Drucker nutzen, anstatt alle Modelle auf einem Gerät zu fertigen. Das hat sich für unser Geschäft als sehr vorteilhaft erwiesen“, so Thompson weiter.

Digitale Technologie – zeitsparend und effizient

Digitale Technologie hilft dem Labor auch dabei, digitale Modelle jederzeit online zu speichern und darauf zuzugreifen, was sich bei Ersatz-Retainern bezahlt macht.

„Es geht keine Zeit dadurch verloren, dass ein Kind zum Zahnarzt muss, um einen neuen Abdruck machen zu lassen, wenn es seinen Retainer kaputt gemacht oder verloren hat. Zähne verschieben sich ständig und es kommt zum Rezidiv. Wir holen die Datei einfach aus der Cloud, wo wir sie mehr oder weniger kostenlos speichern, drucken das Modell, stellen die Apparatur her und können sie sogar direkt an den Patienten schicken“, schildert Thompson.

Im digitalen Arbeitsprozess können Techniker die Brackets digital entfernen und mehrere Apparaturen auf demselben 3D-gedruckten Modell herstellen.
Im digitalen Arbeitsprozess können Techniker die Brackets digital entfernen und mehrere Apparaturen auf demselben 3D-gedruckten Modell herstellen.

Einer der großen Vorteile der digitalen Technologie – besonders bei der Kieferorthopädie – ist es, dass das Labor das 3D-gedruckte Modell bei der Herstellung mehrerer Apparaturen wiederverwenden kann.

„Aktuell ist es weit verbreitet, das Debonding der Brackets durchzuführen und in derselben Sitzung alle Retentionsprodukte anzupassen. Durch die digitale Entfernung der Brackets können wir Essix-, Bonded- oder Hawley-Retainer und eine Bleaching-Schiene auf demselben Modell anfertigen, was bei dem herkömmlichen Verfahren mit Gipsmodellen schlichtweg nicht möglich ist“, sagt Thompson.

Das Vertrauen von Neukunden wird gestärkt

Thompson ist überzeugt, dass die digitale Technologie herkömmliche Arbeitsschritte nur ausstechen kann, wenn sie kosteneffizient ist. Indem sie die Einsparungen auch auf die Preise übertragen, öffnen sie den digitalen Markt für eine immer größere Zahl an Klinikern, was nach Thompsons Meinung der Weg der Zukunft ist.

„Es sollte für Sie nicht teurer sein, Ihren Kunden und Patienten Dienstleistungen mithilfe der digitalen Arbeitsprozesse anstelle der herkömmlichen Abdrücke zu bieten. Wir haben ganz einfach die Kosten für das Gipsmodell – das nicht mehr erforderlich ist – mit den Kosten für das Harzmodell ersetzt. Somit ist Ihre Laborrechnung dieselbe, ganz gleich, ob die Arbeit digital oder mit dem herkömmlichen Verfahren ausgeführt wurde – nur können Sie die Apparaturen jetzt 24 Stunden früher erhalten“, so Thompson.

Dieses Leistungsversprechen hat erfolgreich neue Kunden aus Großbritannien und dem Ausland angezogen. Obwohl die Gewinnspanne für das Labor bei Essix-Retainern und digitalen Modellen klein ist, liefern sie einen hohen Mehrwert, da sie das Vertrauen stärken.

„Jeden Tag haben wir neue Kunden, die noch nie mit uns zusammengearbeitet haben. Sie wissen also nicht, ob die Qualität gut wird oder ob unser Kundenservice zuverlässig ist. Wenn sie feststellen, dass wir Produkte mit sehr hoher Qualität herstellen, vertrauen sie uns und erteilen Aufträge für komplexere Apparaturen. So erhalten wir innerhalb von zwei Monaten, nachdem Neukunden unsere Dienstleistung für digitale Kieferorthopädie in Anspruch genommen haben, immer Aufträge von ihnen, bei denen sie uns nach Twin-Blocks, festsitzenden oder funktionellen kieferorthopädischen Apparaturen fragen. Ehe wir uns versehen, schicken sie uns jede Menge Arbeit, da wir alle ihre Bedürfnisse erfüllen können“, erklärt Thompson.

Thermogeformte Aligner stärken das Vertrauen. Das Team von Ashford erwartet, dass die Kunden bald komplexere Apparaturen bestellen, bei denen die Gewinnspanne für das Labor größer ist.
Thermogeformte Aligner stärken das Vertrauen. Das Team von Ashford erwartet, dass die Kunden bald komplexere Apparaturen bestellen, bei denen die Gewinnspanne für das Labor größer ist.

Das Labor bietet jetzt drei Praxen, die kein Abdruckmaterial verwenden, vollständig digitale Dienstleistungen an. Das ist nur möglich, da Ashford alle Bedürfnisse durch digitale Arbeitsprozesse erfüllen kann.

„Als wir mit digital anfingen, machte es vielleicht zwei Prozent unseres Geschäfts aus. Allein letzten Monat lag es bei etwa 15 Prozent, und es ist der am schnellsten wachsende Bereich in unserem Labor“, so Thompson.

„Momentan dominieren die traditionellen Verfahren mit einem kleinen digitalen Anteil, aber in zwei oder drei Jahren sind es die digitalen Verfahren mit einem kleinen traditionellen Anteil. Und das wird in Zukunft die Triebkraft unserer Abteilung sein.“

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